Entscheidungen zu treffen gehört für die meisten Menschen zu einer größeren Herausforderung. Diese scheint dann besonders groß zu werden, wenn viel Geld, eine Partnerschaft oder sogar Kinder im Spiel sind. Denn eigentlich kam ich zum ersten Mal bei diesem Thema vor ein paar Monaten vorbei, als wir mit guten Freunden gegrillt haben. Es ging um die Hochzeit eines Freundes und um die Frage, warum er heiraten wolle. Die Antwort verblüffte uns. Er sagte: „Ich habe keinen Grund gefunden, sie nicht zu heiraten. Es spricht nichts dagegen.“ Wow!

So kamen wir dann auf die grundlegende Frage: Muss ich immer Ja sagen, wenn ich ein Nein nicht begründen kann? Die meisten Eltern erziehen aktuell ihre Kinder so, zumindest zeigt das der wenig repräsentative und doch spannende Ausschnitt aus meinen Seminaren. Sie lassen den Kindern fast alles durchgehen, bei dem sie nicht begründen können, warum das Kind das nicht haben oder tun darf. Ist natürlich kein Wunder, nachdem die beiden Partner vielleicht auch nur zusammen sind, weil sie das Nein zur Beziehung nicht begründen konnten. Nach dem Motto: Willst Du mit mir gehen? Warum nicht. Willst Du ein Eis mit Sahne? Spricht nichts dagegen. Wollen Sie den neuen Job mit mehr Arbeit für mehr Geld? Ich wüsste nicht, warum ich das ablehnen sollte. Wollen Sie eine Vorsorgeuntersuchung, damit Sie wissen, ob Sie sich Sorgen machen sollten? Was spricht dagegen? Nichts! Na dann los. Hey, wach auf, so funktioniert eine optimale Lebensgestaltung nicht!

Ein Nein scheint grundsätzlich böse

Spätestens seit dem Film zum Thema (Der Ja-Sager; englisch Yes-Man) sind die Menschen, die Nein sagen, als Nörgler und Pessimisten abgestempelt. Wer Nein sagt zu irgendetwas, der ist nicht flexibel genug, der sieht die Welt nicht rosig genug und ist eben einfach nur ein Bremsklotz, der sich gegen das Leben wehrt. Wer Ja sagt, der geht mit dem Flow, der Befürwortet nicht nur den nächsten Entwicklungsschritt des Heranwachsenden, der steht dem Leben an und für sich eben ganz anders gegenüber, positiv eben und aufgeschlossen. Pah! Das ist alles dummer Quatsch und ich möchte Dich gerne wachrütteln. Am besten jetzt gleich. Wenn Du Ja sagst, weil Dir Günde dagegen fehlen, dann wirst Du einfach nur zu einem Spielball der Ziele anderer Menschen. Ja, stimmt, das ist eine Abwandlung des Zitats von Jerry Hicks. Und es gilt hier doch auch. Der Ja-Sager braucht keine eigene Richtung, keine Aus-Richtung seines Lebens zu seinen eigenen Zielen hin. Ja zu sagen ist leicht, weil es Dich natürlich auch beliebt sein lässt.

Also lass uns einfach mal von der These verabschieden, dass dem Nein etwas Böses, Negatives anhaftet. Es ist genau wie das Ja neutral und welche von beiden Antworten geeigneter ist, das dürfen wir uns erst nochmal in Ruhe anschauen. Um dies zu tun, drehe ich – vermutlich, weil ich NLP-Trainer und Gegenbeispielsortierer bin – das Ganze erst einmal auf den Kopf. Zunächst nur hier, also als Gedankenmodell. Wie wäre es damit:

Wenn ich das Ja nicht gut begründen kann, dann sage ich Nein.

Also mein Freund hätte dann nicht geheiratet. Ich habe das übrigens für mich auch festgestellt, dass ich viel zu oft Ja sage an Stellen, an denen es sich nach einem Nein anfühlte. Und wenn wir schon kurz bei mir sind: Eine Menge Schokoriegel, Eisportionen und andere Leckereien hätten ihren Weg nicht in meinen Magen gefunden, wenn ich diese Regel angewendet hätte.

Es wäre also jetzt ein guter Zeitpunkt, Deine Bewusstheit für Dich selbst zu starten und genau hinzuschauen. Fragen gefällig? Na bitte:
Stehst Du auf, weil Du Ja zu etwas sagst, was Du willst?

Was spricht für die Arbeit, die Du gerade tust? (Lass Geld bitte außen vor und alles, was damit zu tun hat, dass Du negative Konsequenzen vermeidest.)
Was spricht für die Partnerschaft, in der Du vielleicht gerade lebst? Oder was spricht für Dein Singledasein?
Was tust Du aktuell so an den typischen Tagen, weil Du klar Ja sagst?

Die Struktur dürfte damit hoffentlich klar sein: die positive Begründung. Das kann die Lebensfreude sein, Begeisterung vielleicht sogar, oder eben ein mittel- oder langfristiges Ziel. Vielleicht kommst Du dann zu einem ähnlichen Schluss wie ich: Wenn Du die Dinge, die Du tust, nur noch tust, weil Du das Ja gut begründen kannst, dann würde Dein Leben sehr schnell sehr viel positiver werden. Es würde auch sehr schnell klar sein, was Du alles machst, weil Du eben negative Konsequenzen fürchtest, wenn Du es nicht tust. Das wäre allerdings kein klares Ja, sondern wieder ein begründetes Nein. Im Sinne von: Wenn ich es nicht tue (Nein), dann passiert vermutlich das und das (Begründung für das Nein). Deshalb tue ich es. Achte darauf, da scheint eine Falle zu sein, in der Lebensglück und Freude vieler Menschen einfach verschwinden.

Ist doch gar nicht so schlecht

Also könnte die neue Idee doch besser sein, als zunächst angenommen. Hier also mein konkreter Vorschlag an Dich: Mach doch im Moment in Deinem Alltag eine Bestandsaufnahme. Prüfe einfach bei jeder Entscheidung, egal wie klein oder groß sie ist, ob Du das Ja begründest oder das Nein nicht begründen kannst, also die verschiedenen Gegenargumente vielleicht sogar überprüfst, um dann eben doch Ja sagen zu müssen – scheinbar. Wann immer Du das Ja nicht gut begründen kannst, sagst Du am besten ab heute Nein. Dann wird Dir klar, in wie vielen Fällen des Lebens Du einfach nur aus Bequemlichkeit oder zur Konfliktvermeidung Ja gesagt hast, ohne es begründen zu wollen.

Anders ausgedrückt:

Mach die Dinge, die Du tust, nur, wenn Du sie positiv und sinnvoll begründen kannst.

Okay, eine Einschränkung mag erlaubt sein: Im Job kannst Du im Moment alles belassen, wie es ist, wir wollen ja nicht gleich Dein ganzes Leben durcheinanderbringen.

In der Kindererziehung finde ich das neue Prinzip am wichtigsten, denn es geht ja darum, Regelwerke im Kopf der Kleinen zu installieren. Das Gehirn bildet aus diesem beobachteten Verhalten der Eltern, anderer Menschen oder auch bei mir selbst Regelwerke, die dann automatisch ablaufen. Also braucht es Konzentration und Aufmerksamkeit, wenn Du diese unterbewussten Regelwerke in Dir entdecken und verändern möchtest. Darum geht es hier.
Mein oben genannter Freund hat sich ja nicht nur in Sachen Heiraten nach diesem Schema (ein Nein lässt sich nicht begründen) entschieden, in meiner Beobachtung funktioniert er dauernd so und trifft im Business und im Privatleben die allermeisten Entscheidungen genau auf dieser Grundlage, dass er Ja sagt, wenn er eben keine guten Argumente für ein Nein hat. Ich würde sagen: „Die Art eines Gehirns zu denken ist die Art eines Gehirns zu denken.“ Insofern ist das alles nicht erstaunlich, unsere Eltern und Lehrer haben uns dahin trainiert.

Wie immer zahlst Du den Preis

Es scheint sich um eine geübte, erfolgreiche und weit verbreitete Strategie zu handeln. Was zum Beispiel Eltern bei dieser Erziehungsmethode übersehen, ist, dass die Kinder später den Preis dafür zahlen. Sie gehen über Tische und Bänke, akzeptieren kein Nein mehr, weil sie es im Grunde gar nicht kennengelernt haben. Schlimmer noch: In ihrem Kopf werden diese Menschen zeitlebens jede Menge innerer Dialoge haben, sich selbst mit Argumenten nerven und nicht weiterkommen bei den meisten Themen im Leben. Das ist übrigens ein wichtiger Grund für viele Menschen, in meine Seminare zu kommen, um die inneren Dialoge wieder in den Griff zu bekommen.

Denn was ist schon ein wirklich gut begründetes Nein? Ich vermute nämlich, dass bei den Ja-Sagern praktisch kein Argument gut genug ist, um Nein sagen zu dürfen. Das erschwert die Sache zusätzlich. Geh es jetzt gleich für Dich durch: Wann hast Du zum letzten Mal einfach Nein gesagt, wann waren Deine Argumente stark genug. Bei den Kindern, dem Partner oder bei Dir selbst? Was ich damit nicht sagen möchte, ist, dass Du das Nein tatsächlich begründen musst, gerade nicht anderen gegenüber. Wie gesagt empfehle ich ja eben, das Nein in aller Regel überhaupt nicht zu begründen, sondern nur noch das Ja – zumindest jetzt erstmal, um herauszufinden, wieviel leichter, besser und angenehmer Dein Alltag dadurch wird. Und lass eben auch Deine Kindern begründen, warum Du Ja sagen solltest, anstatt dass Sie Dich begründen lassen, warum Du Nein sagen darfst. Das ist doch eine völlig verdrehte Welt!

Die positive Motivation begründen

Worauf Du nun noch einen Moment Deine Gedanken richten darfst, ist die Frage, was für Dich positive Begründung ist, was Du sozusagen gelten lässt. „Ich will aber ein Eis!“, schreit vielleicht Dein Kind. Ist das schon Grund genug? Wie gut müssen Deine positiven Argumente bei Dir selbst sein, damit Du überzeugt bist? Prüfe bitte auch das sorgfältig in Deinem neuen Regelsystem, das Du ab heute übst. Klar ist Schokolade lecker und Gummibärchen sind es auch. Doch lecker ist vielleiht noch kein gut begründetes Ja, oder? Ich habe das länger nicht gehabt. Man gönnt sich ja sonst nichts. Einmal ist keinmal. Nicht päpstlicher sein als der Papst. Oder der Lieblingssatz meines Gehirns: Das ist nur eine Ausnahme (und „Ausnahme“ ist bei mir total positiv besetzt.).
Eine Idee wäre, dass Du das Ziel klar benennen kannst, das Du damit erreichst. Grundsätzlich sollte etwas erreicht werden, anstatt dass etwas vermieden wird. Und es sollte für Dich erstrebenswert sein, dieses Ziel zu erreichen. Dann wäre es ein gutes Argument, tatsächlich das zu machen, was Du gerade planst. Ansonsten bleib auch Dir selbst gegenüber besser bei Nein.

Ich freue mich auf Dein Feedback, wie Deine Umwelt darauf reagiert und was es mit Dir macht, Dein Leben so umzustellen. Bitte schreib mir gerne an service@marcskleinewelt.de.