Die Frage:
„Meine Frau nörgelt an mir herum und macht mich klein, weil sie sich mir unterlegen fühlt. Was kann ich tun?“

Marcs Antwort:
Minderwertigkeitsgefühle und mangelnder Selbstwert sind seit Jahren die wohl wichtigsten Themen, die ich in meinen Seminaren adressiere und löse. Das ist keineswegs eine leicht Aufgabe und die aktuell weit verbreitete Angst mindert das Selbstwertgefühl vieler Menschen noch weiter. Die Folgen sind dramatisch, auch und gerade für Menschen, die in einer Beziehung leben. Denn wer sich selbst nicht wertschätzt, der kompensiert das in vielen Fällen dadurch, dass er an anderen Menschen herumkritisiert, nörgelt oder sie sogar offen fertigmacht und verurteilt. Die Leistung des Partners wird dann nicht nur wenig oder gar nicht beachtet, nein, sie wird auch noch in Frage gestellt und mit vernichtender Kritik überzogen.

In diesem Fall darf sich natürlich der kritisierte Partner die Frage stellen, wie eine geeignete Reaktion aussehen kann. Denn natürlich würden wir alle dem Partner mit dem geringen Selbstwertgefühl raten, an sich zu arbeiten und sich zu verändern und einen Weg zu finden, wieder oder viellicht auch zum ersten Mal in seinem Leben stolz auf sich zu sein. Immer wieder sind das allerdings nicht die Menschen, die zu mir ins Seminar kommen und die bereit sind, sich zu verändern. Viele sind auf der anderen Seite, haben ihre Berufung gefunden oder aus anderen Gründen ein stabiles, gesundes Selbstwertgefühl aufgebaut, das jetzt von dem nörgelnden Partner in Frage gestellt wird. Insofern darf eine Lösung gefunden werden, wie der in diesem Fall Stärkere den Schwächeren unterstützen kann. Das ist keine leichte Aufgabe. Lass uns die Varianten anschauen, die ich gefunden habe oder von denen Teilnehmer mir berichtet haben.

Variante 1: Du stellst Dein Licht unter den Scheffel, redest Deine Leistung klein und gleichzeitig machst Du Deinem Partner Mut und betonst (leider oft ein bisschen künstlich), wie toll doch die Leistung des sich minderwertig fühlenden Partners ist. Die Hoffnung ist klar, Du hoffst darauf, dass der andere seine Nörgelei und seine Dauerkritik an Dir einstellt und durch Dein Lob sein eigenes Selbstwertgefühl steigern kann.

Vermutlich muss das aus mindestens zwei Gründen scheitern: Zum einen deshalb, weil Du, wenn Du ehrlich zu Dir selbst bist, den anderen ein bisschen toller darstellst, als er wirklich ist. Diese Lüge fühlt natürlich der Partner mindestens unterbewusst. Zum anderen wäre es gleichermaßen fatal, wenn aufgrund Deines Lobes das Selbstwertgefühl des Partners steigen würde, weil er ja dann abhängig von Dir wäre. Menschen mit Minderwertigkeitsgefühlen haben oft allerdings genau das Thema, dass Sie sich ausschließlich auf negative Urteile anderer verlassen und zur Not noch auf ihre Selbstkritik. Lob anderer Menschen erreicht sie nicht und sich selbst finden sie einfach nicht lobenswert. Daher muss Dein künstliches oder echtes Lob an ihnen abprallen, weil sie sonst abhängig von Dir wären.

Wenn Du das, ich habe es für Dich ausprobiert, in einer Beziehung viele Jahre lebst, wird Dein Partner entweder in einer Depression versinken oder er wird sauer auf Dich und wird dafür sorgen, dass Du die Beziehung beendest, um Dich aus dem Leben zu bekommen. Denn wenn Du nicht da bist, so die Hoffnung des Menschen mit Minderwertigkeitsgefühlen, dann wird er sich nicht mehr so klein fühlen. Das ist zwar ein Trugschluss, denn die mangelnden Selbstwertgefühle wird dieser Mensch dann weiter kompensieren müssen und wird nach außen etwas vorspielen, was er innen drin nicht fühlt. Und doch ist das vielleicht besser, als sich an Deiner Seite ein Leben lang schlecht und unterlegen zu fühlen.

Variante 2: Du lässt die Kritik des anderen möglichst an Dir abprallen, reagierst nicht auf die Vorwürfe und verlässt zur Not den Raum, in dem der andere sich befindet, damit er Dich nicht weiter verletzen kann. Das wird entweder dazu führen, dass ihr den Rest des Lebens nebeneinander herlebt und Euch außer Alltäglichkeiten nichts mehr sagen könnt. Oder die Beziehung endet, weil einer von Euch beiden einfach keine Lust hat auf diesen Alltag. Ich vermute, dass Du als Kritisierter eher gehst und die Beziehung beendest, was allerdings nicht immer stimmen muss.

Variante 2a: Zu dieser Variante gibt es noch eine Spielart, nämlich die, dass Du nach der Kritik zwar wütend bist, diese Wut aber unterdrückst und Dir nichts anmerken lässt. Die Folge für die Beziehung ist vermutlich dieselbe, sie wird kapputt gehen und keine schöne Beziehung mehr sein. Zusammenbleiben oder nicht ist dann keine Frage des gemeinsamen Glücks mehr, sondern nur noch eine Frage der eigenen Lebensumstände und des Mutes.

Bist Du mutig genug?

Da scheint der Hase im Pfeffer zu liegen: Bei beiden Varianten liegt es doch daran, dass Du nicht mutig genug bist, den anderen mit seiner Realität zu konfrontieren, oder? Lass uns hier anfangen: Die Minderwertigkeitsgefühle Deines Partners kommen meist nicht von Dir, der andere hat sie aus seiner Kindheit mit in Eure Beziehung gebracht. Vielleicht haben die Eltern mit dauernder Kritik versucht, ihn zu motivieren. Oder er hat Geschwister, die immer überlegen waren, zum Beispiel, weil sie älter waren oder warum auch immer. Das ist nicht Dein Business!

Viele Jahre später mitten in Eurer Beziehung tut nun Dein Partner so, als wärest Du die Ursache seines Leidens und jeder zusätzliche Erfolg, den Du erreichst, macht ihn kleiner und unbedeutender. Das fühlt sich ja für ihn auch so an. Je besser es Dir geht, je fröhlicher Du bist, je netter Deine Freunde zu Dir sind, je mehr Zuspruch Du erhältst, desto kleiner fühlt sich der Minderwertigskeitsexperte an Deiner Seite. Willst Du jetzt wirklich all das positive Feedback, das Du bekommst, den Rest Deines Lebens nicht genießen?

Vielleicht darfst Du doch einfach ein ehrliches Gespräch mit Deinem Partner suchen. Er muss das Thema in sich lösen. Anders wird es nicht gehen. Dazu kannst Du ihn nicht drängen. Du kannst das nicht forcieren und es hilft auch nicht, wenn Du ihn in meine Seminare schickst, wenn er oder sie nicht will. Bessere Nachrichten habe ich an dieser Stelle nicht.

Für Dich allerdings ist damit wieder alles möglich, denn ich weiß, dass es eine Lösung geben muss und gibt. Schau doch mal genauer hin: Was könntest Du daraus lernen, worum könnte es gehen, warum hast Du Dir mit diesem Menschen eine solche Herausforderung in Dein Leben geholt? Vielleicht warten neue Erkenntnisse auf Dich, die Du jetzt sammeln darfst, neue Erfahrungen. Denn wir können nie den anderen Menschen verändern, nur unser eigenes Verhalten immer wieder ändern und anpassen und etwas neues ausprobieren, bis wir ein anderes Feedback bekommen.

Alles Liebe!

Dein Marc