Wir Deutschen nörgeln gerne, ich habe fast den Eindruck, dass das in dieser Zeit eine der wichtigsten deutschen Eigenschaften ist. Nörgeln, nölen, kritisieren, doof finden und verurteilen – ja, da dürfen wir uns wohl selber eingestehen, dass wir das gut können. Manch ein Deutscher weist den anderen auch gerne einfach mal darauf hin, dass er gegen eine Regel verstoßen hat, beim Parken etwa oder an einer anderen Stelle. „Sie verhalten sich nicht so, wie es vorgesehen ist.“ – dieser Hinweis ist so deutsch wie er in unserem Land an der Tagesordnung ist.
Das kann man jetzt superpositiv sehen, denn wir lassen Fehler nicht einfach durchgehen, sind weltweit bekannt für unsere Präzision, für die Genauigkeit, mit der wir Dinge planen, bauen und erledigen – auch das sind alles deutsche Tugenden. Doch das Nölen hat eine negative Seite, sie macht positive Energie, Motivation, Elan kaputt, zerstört auf Dauer jede Beziehung zwischen Menschen und macht auch einfach in dem Nöli selbst keine schöne Energie. Wenn das also klar sein sollte, muss die Frage erlaubt sein, warum so viele Menschen Tag ein Tag aus rumnölen, kritisieren – ja schon aus Prinzip alles erst einmal falsch und doof finden. Und beim Nachdenken über genau dieses Thema kam ich eben auf die Idee, dass es etwas mit der mangelnden Bereitschaft zu tun haben könnte, sich selbst zu verändern.
Scheint weit hergeholt
Okay, auf den ersten Blick macht das vielleicht gar keinen Sinn, denn wieso sollte nölen etwas mit Verändern zu tun haben? Lass uns das genauer anschauen: Wenn ich an etwas herumnörgele oder kritisiere, dann nehme ich also einen Soll-Ist-Vergleich vor, ich vergleiche die Realität mit einem idealen Zustand, den ich mir in meinem Kopf erschaffe. Das ist – mitten im Modell des NLP – schon eine bemerkenswerte Leistung, die in den meisten Fällen völlig unterbewusst abläuft. NLP-Mitbegründer Dr. Richard Bandler hat dazu vor Jahren einen schönen Satz gesagt, über den Du ruhig ein bisschen länger nachdenken kannst: „Enttäuschung benötigt eine Menge Planung.“ Und genau das ist ja beim Nölen auch der Fall: Wenn Du etwas kritisierst, musst Du Dir vorher zumindest eine Idee gemacht haben, dass Du es anders haben wollen würdest und dass Du glaubst, dass es besser geht. Selbst wenn Du nicht genau sagen kannst, wie es besser wäre, weißt Du auf jeden Fall schonmal, dass anders besser wäre.
Was für eine unglaubliche Energieverschwendung, die aber einen Vorteil hat: Du hast kundgetan, dass es Dir aufgefallen ist und dass Du sicher weißt, dass es besser gehen muss, sollte, könnte – unter welchen Bedingungen auch immer und mit welchem Aufwand auch immer. Und nur, dass ich es nochmal erwähnt habe: Was Du vor allem damit machst, ist, Deine eigene Stimmung negativ zu beeinflussen. Okay, fairer Deal, die anderen, die sich Deine Genörgele anhören, leiden höchstwahrscheinlich auch mit, fühlen sich nach jedem Gespräch mit Dir schlechter als vorher und fangen vielleicht auch an zu nörgeln. Vielleicht schaukelt es sich auch hoch und ihr legt immer noch einen drauf, nach dem Motto: „Ja, das ist schon schlimm, und weißt Du, was noch viel schlimmer als das ist… .“ So entsteht geradezu ein Nörgelwettbewerb und wohl jeder von uns ist da schon mal in die Falle gegangen und hat mitgenörgelt. So weit, so menschlich.
Durchbrich es!
Und jetzt kommt die spannende Beobachtung: Es bleibt dabei, es endet einfach, Menschen nörgeln und leiten dann keine Maßnahmen ab, was sie ändern könnten, damit es so schnell wie möglich anders wird. Vielleicht äußern sie noch eine mehr oder weniger unrealistische Idee, wie es besser gehen könnte. Doch auch diese Maßnahme können sie nicht selbst umsetzen. Das ist genau die Idee des Nörgelns: Ich bin gegen das. Ich wäre für das andere. Ich bin nicht bereit, etwas dafür zu tun, oder ich kann gar nichts tun. Und genau da merkst Du es: Menschen, die nörgeln, sind vermutlich in den meisten Fällen einfach nur in der Opferrolle, aus der sie aus welchen Gründen auch immer gar nicht heraus wollen. Denn das eigene Verhalten anzupassen, zu verändern, sich einzusetzen, notfalls auch nur die eigene Perspektive auf die Welt zu verändern – nein, das hat der Nöli nicht im Angebot, das gehört nicht zu seinem Repertoire.
Und das hat auch einen wichtigen Grund: Der Vorteil des Nörgelns vor allem bei Themen, die etwa die eigene Beziehung betreffen oder die Menschen und Lebenssituationen im näheren Umfeld, ist, dass man das Thema ja angesprochen hat. Der Nöli kann jederzeit, wenn er darauf angesprochen wird, sagen, dass ihm das jeweilige Thema ja auch schon aufgefallen ist und dass er das ja auch schon gesagt hat. Die quietschende Tür, der defekte Rasenmäher, das nicht geputzte Fenster, irgendwelche liegengebliebenen Unterlagen – das alles könnte ja solche Nörgelthemen sein. Da muss man gar nicht zu den größeren Themen wie der Weltpolitik übergehen. Nörgler finden auch gerne Themen bei einem nahestehenden Menschen, etwa der Partnerin oder dem Partner, die sie kritisieren können. Du hast dies und das gesagt, mit Dir kann man ja nie planen, sie sagst Du dies oder das und so weiter. Typische Nörgeleien, die welches Ziel haben? Meine These: Die eigene Veränderung ist dann nicht nötig, wenn ich an dem anderen Fehler finde.
Auch die Perspektive zu verändern…
…ist ein neues Verhalten! Und das ist für viele Menschen nicht selbstverständlich. Es ist leicht, irgendetwas Doofes zu finden und dann dem anderen vorzuwerfen. Doch ich hätte eine andere Frage: Was kannst Du denn tun, damit das Thema kein Thema mehr ist? Vielleicht ist es Dein Verhalten, was Du ändern könntest, damit Du Dich nicht länger aufregen müsstest. Und konkret könnte das in einer Partnerschaft bedeuten: Was magst Du denn an dem anderen, was gefällt Dir, was ist heute schon richtig toll an diesem Menschen? – eben eine Veränderung Deiner Perspektive und Deiner Wahrnehmung dieses Menschen und der Welt.
Diese neuen Fragen haben das Potenzial, neue Antworten zu Dir zu bringen. Sie öffnen den Horizont für eine ganz neue Welt. Und in die kannst Du eben ganz leicht gelangen: Wenn Du mal wieder merkst, dass Du ins Nörgeln verfällst, könntest Du ganz gezielt fragen: Was ist es denn, was ich möchte, und wie kann ich jetzt gleich dazu beitragen, dass es wahr wird? Wie kann ich mich und mein Verhalten so ändern, dass das Kritisierte kein Thema mehr ist?
Der Umgang mit den Nölis
Was Dich und mich zu der Frage führt, wie Du mit einem Nöli in Deiner Umgebung besser umgehen kannst. Der erste Schritt ist immer – ich hatte es hier im Blog schon mal als Thema des Monats – die Spiegelgesetzmethode anzuwenden und sich zu fragen, wo Du selbst dieses Verhalten hast. Mag ja zum Beispiel sein, dass Du andere auch gerne kritisierst und das notfalls auch nur in Deinem Kopf machst. Dann würde der Nöli in Deiner Umgebung nur ein Hinweis für Dich sein, das Verhalten bei Dir selbst einzustellen. Achte auch auf die Bereiche in Deinem Leben, in denen Du Dich als Opfer siehst oder fühlst und vielleicht auch schon länger das Gefühl hast, nichts verändern zu können. Wenn Du und ich ehrlich sind, können wir oft mehr verändern, als wir uns selbst eingestehen.
Und es mag auch sein, dass der Nöli Dich darauf hinweist, dass Du vielleicht einen neuen Weg einschlagen darfst. Vielleicht möchte dieser Mensch Dich schon länger aus seinem Leben kriegen, möchte allerdings Eure Beziehung oder Freundschaft nicht beenden, weil er oder sie nicht die Schuld für diesen Schritt übernehmen möchte. Also wird er so lange an Dir rumnörgeln, bis Du gehst. Das wiederum könnte auch, wenn Dir der Mensch wichtig ist, ein ganz tolles Gespräch werden. Im Sinne von: „Warum möchtest Du mich loswerden, warum möchtest Du, dass ich unsere Beziehung beende, was ich sicher tun werde, wenn Du weiter an mir rumkritisierst, weil es mir nicht gut tut.“ Denn es muss ja einen Grund dafür geben, warum der andere nicht einfach diesen Schritt macht, wenn sein Verhalten klar zeigt, dass er Dich loswerden möchte.
Da bin ich also wieder bei der Ehrlichkeit und das Nörgeln bei sich oder anderen zu beenden, das erfordert Ehrlichkeit zu sich selbst, es ist nötig, das eigene Verhalten kritisch anzuschauen und dann einen neuen Weg einzuschlagen. Für den darfst Du sehr bewusst sein und genau hinschauen, damit Du es dann Schritt für Schritt schaffen kannst, von einem Nöli zu jemandem zu werden, der in jeder Hinsicht ein positiver, fröhlicher und immer netter Mensch ist. Nur darfst Du Dich natürlich fragen, ob Du das werden möchtest? Oder hast Du daran etwas auszusetzen?