Die Frage:

Immer wieder erfahre ich von meinen Teilnehmern, dass es zu mehr oder weniger heftigen Auseinandersetzungen mit den eigenen Eltern kommt. Meist ist der Auslöser die Kritik am Lebensstil des „Kindes“, wobei einige Eltern auch ihren längst erwachsenen Kindern immer noch gerne reinreden. Und es gibt auch, wie im diesem Fall, eine große Unzufriedenheit mit der beruflichen Ausrichtung des eigenen Kindes. Wie kannst Du nun damit optimal umgehen, wenn Deine Eltern sich auch so verhalten, als hätten sie ein lebenslanges Recht, Dir ihre Meinung mit auf den Weg zu geben und Dich zu kritisieren für das, was Du ihrer Meinung nach falsch machst.

Marcs Antwort:

Familienfeiern und -treffen sind für viele Menschen ein Graus, weil leider so viele Familien einfach nicht gut miteinander auskommen. Durch den Zwang zusammen sein zu müssen und die erzwungene Freundlichkeit entsteht dann leider immer mal wieder eine ungute Dynamik, die sich so von einem einzelnen Mitglied kaum steuern lässt. Kein Wunder, dass dann viele aufgeben, was im wesentlichen auf drei Arten erfolgt:

  1. Das „Kind“ lässt den Besuch bei den Eltern über sich ergehen, meidet kritische Gesprächsthemen so gut es geht und macht gute Mine zum mehr oder weniger bösen Spiel. Wenn Du das souverän hinbekommst, steht dieser Lösung an und für sich nichts im Weg. Es kommt natürlich darauf an, wie gut Du mit dieser oberflächlichen Beziehung ohne Tiefgang leben kannst und möchtest. Ich bin grunsätzlich der Meinung, dass Eltern-Kind-Beziehungen ab 18 freiwillig sind, das heißt Du darfst selbst entscheiden, ob Du diese Beziehung wirklich haben möchtest.
  2. Was uns zu Variante 2 führt: Den Kontakt abbrechen, um den Konflikten aus dem Weg zu gehen. Ich finde – und habe das selbst für Dich ausprobiert -, dass dieser Weg auch absolut okay und erlaubt ist. Ich weiß, da sträubt sich einiges in dem einen oder anderen, schließlich haben einen die Eltern doch großgezogen und man muss sich dankbar zeigen und man muss das hinnehmen und man muss sie verstehen. Hey, man muss gar nichts!
    Ich finde, dass auch Eltern sich zurückhalten dürfen. Zum einen bin ich der Meinung, dass Kinder selten nach anderen Leuten geraten, also haben die Eltern das verursacht, was sie erleben. Zum anderen ist auch bei den eigenen Eltern die Beziehung freiwillig und so ist es jedem erlaubt, die Beziehung aufgrund von Fehlverhalten zu unterbrechen oder ganz zu beenden. Ein heißes Eisen, ich weiß schon, und eben Marcs kleine Welt.
  3. Die dritte Option ist, die Eltern offen anzusprechen. Ich mag diese Option sehr, weil Du ihnen damit etwa vor dem Abbruch des Kontaktes eine Möglichkeit gibst, ihr Verhalten zu überdenken und vielleicht eben doch einen neuen Weg mit Dir und mit dem Verhältnis zwischen Euch einzuschlagen. Achte darauf, dass Du bei Ich-Botschaften bleibst. Also nicht: „Ihr macht mich immer fertig, Ihr nörgelt nur an mir herum, Ihr… . “, sondern „Ich fühle mich von Euch nicht respektiert, ich fühle mich nicht positiv begleitet, ich fühle mich nicht unterstützt“ und so weiter.

Grundsätzlicher Fehler

Was ich vorausschicken darf, ist eine Erkenntnis, die ich vor einigen Jahren in einem Fortgeschrittenen-Kurs gefunden habe: Eltern, die ihre Kinder kritisieren – so die damals gefundene und bis heute in meiner Welt sehr schlüssige These – sind immer Eltern, die mit ihrem eigenen Leben unzufrieden sind. Das kannst Du an Dir selbst überprüfen und in Deinem Umfeld. Wenn Du Dein Leben, Deinen Beruf, Deine Beziehung oder Dein Single-Dasein und alles andere liebst und wirklich tief innendrin glücklich bist, dann brauchst Du niemanden zu kritisieren und Du wirst auch an niemandem rumnörgeln.

Das heißt doch auch für Deine Eltern: Mit ihrer Unzufriedenheit bringen sie nur zum Ausdruck, wie unglücklich sie mit sich selbst sind. Das wäre jetzt dann sicher wieder kontraproduktiv, wenn Du das direkt ansprichst, ich denke es mir eher als Info für Dich, damit Du das seltsame Verhalten besser einordnen kannst. Es ist ihr Gefühl von Minderwertigkeit, das sich in allen kritischen Äußerungen Dir gegenüber zeigt.

Reagieren ist schwierig

Deshalb ist es auch schwierig, in geeigneter Weise damit umzugehen. Da es nicht um Dich geht, helfen Rechtfertigungen nicht. Du kannst sie nicht erreichen, weil Deine Argumente sich ja um Dich drehen. Das zentrale Gefühl ist jedoch in ihnen und deshalb kannst Du es nicht ändern. Ich finde es ganz wichtig, dass Du Dir das bewusst machst. Wie sollst Du Dich für etwas rechtfertigen oder dagegen argumentieren, wenn es doch gar nicht das ist, worum es geht. Siehst Du, das ist nicht möglich.

Da liegt der Hase im Pfeffer, denn wenn Du an das Thema herankommen möchtest, um das es geht, dann müsste die betreffende Person, also Deine Mutter oder Dein Vater, bereit sein, sich intensiv mit den Gedanken und Gefühlen auseinanderzusetzen, die in ihr auftauchen, wenn sie an das kritische Thema denkt. Da kann dann alles mögliche sein, also etwa:

  • Was sollen die anderen (Freunde, Familie, Nachbarn etc.) über uns denken, wenn unser Kind sich so verhält; dies oder jenes tut oder unterlässt?
  • Wie kann mein Kind das machen, ich hätte mir das auch nicht erlaubt oder ich hätte es aus Angst vor der Reaktion der anderen Menschen nicht gemacht?
  • Warum verhält sich mein Kind nicht so, wie ich es an seiner Stelle tun würde?
  • Ich fühle mich persönlich angegriffen und als Vater/Mutter nicht wertgeschätzt und sogar kritisiert durch sein Verhalten. Warum ändert er/sie sich nicht?

Das sind natürlich nur einige Beispiele und ich lerne in meinen Seminaren, dass es hier und da ein bisschen Arbeit bedeutet herauszubekommen, was es genau ist, das die schlechten Gefühle in einem Menschen auslöst. Das kannst Du vermutlich von Deinen Eltern nicht erwarten, dass sie diese emotionale Kompetenz haben oder auch nur erlernen wollen.

Es ist nur ein Widerhall

Du und ich wissen, dass alles, was in Resonanz mit uns gerät, gut oder schlecht, auf jeden Fall mit uns zu tun haben muss, weil es eben die Resonanz ist, die wir spüren. Das verstehen Deine Eltern vermutlich nicht oder sie wollen es nicht verstehen. Denk daran, wieviel einfacher das Leben ist, wenn jemand konsequent die Verantwortung ins Außen abgibt. Ja, Veränderung ist so nicht möglich, persönliche Weiterentwicklung auch nicht. Außerdem leiden diese Menschen nicht nur unter ihrer Unzufriedenheit, sondern sie werden eben auch von zahlreichen Ängsten geplagt. Und so können wir in den meisten Fällen eben nur warten, bis diese Generation ausgestorben ist.

Du kannst es eben in Dir ändern und lernen, die Unzufriedenheit, das Entsetzen, die Enttäuschung oder welches Gefühl auch immer Du erlebst, wenn das Verhalten eines anderen Menschen Dich triggert, in Dir zu finden und zu lösen. Das geht leichter, als Du vielleicht denkst. Ich zeige Dir im Seminar, wie es genau funktioniert. Und denk immer daran: Gefühle, die in Dir auftauchen, kannst Du auch nur in Dir lösen!

Eine letzte Idee wäre dann noch, dass Du diesen Artikel an Deine Eltern weiterleitest, wenn es häufiger Streit und Auseinandersetzungen gibt. Die könnten den dann als Hinweis aufgreifen, um ihre eigene arrogante Position doch noch einmal zu überdenken. Denn wir gestalten die Beziehungen unseres Lebens immer selbst und wir dürfen alle immer weiter lernen – auch, dass unsere Kinder nicht unser Eigentum sind und dass sie sich so entfalten dürfen, wie sie wollen. Nur weil jemand in diesem Leben schon etwas länger als Du auf dem Planeten ist, bedeutet das doch nicht, dass er das Recht hätte Dir reinzureden.

Alles Liebe!
Dein Marc