Seit Jahren wird uns erzählt, dass wir uns nicht verlieren dürfen – nicht im Beruf, nicht in Beziehungen, nicht in der Liebe. Nähe gilt als gefährlich. Unabhängigkeit als Stärke. Aber was, wenn das alles nicht stimmt? Was, wenn wahre Veränderung genau dort beginnt, wo wir alles loslassen? Ich habe mich als Trainer immer wieder verloren – und genau deshalb Menschen berührt. Jetzt frage ich mich: Gilt das nicht auch für die Liebe? Es beginnt oft mit einem kleinen Zweifel. Ein kurzer Moment, in dem etwas nicht mehr ganz so sicher klingt wie vorher. In dem eine altbekannte Wahrheit plötzlich ein bisschen schief in der Luft hängt. Und genau da, in diesem unscheinbaren Augenblick, liegt vielleicht der Schlüssel zu etwas völlig Neuem.
Viele der größten Entdeckungen der Menschheitsgeschichte begannen mit einem solchen Zweifel. Galileo Galilei zum Beispiel lebte in einer Welt, in der die Erde der Mittelpunkt des Universums war. So stand es in den Büchern. So lehrte es die Kirche. So glaubte es jeder. Und dann richtete er sein Teleskop in den Himmel – und sah etwas anderes. Nicht sofort eine neue Wahrheit, aber eine Irritation. Ein Widerspruch. Und daraus wurde ein Weltbild erschüttert – und neu erschaffen.
Oder Einstein. Als die Welt dachte, Raum und Zeit seien feste Größen, kam ein junger Mann mit einem Gedankenexperiment daher – und stellte sich vor, auf einem Lichtstrahl zu reiten. Er stellte nicht nur ein paar Zahlen in Frage, sondern das gesamte Verständnis von Realität. Daraus entstand die Relativitätstheorie – eine der größten geistigen Leistungen der Menschheitsgeschichte. Alles nur, weil er nicht aufhörte, zu denken: Was, wenn das so nicht stimmt?
Doch während in Wissenschaft, Medizin und Technik immer wieder mutige Geister auftauchen, die das Bestehende infrage stellen, herrscht in der Welt der persönlichen Veränderung oft noch erstaunlich wenig Bewegung. Zu viele Ansätze wirken wie in Stein gemeißelt. Als wären sie ewig gültig. Als wäre das, was in einem Therapiebuch von 1984 steht, auch heute noch der einzige Weg zu innerem Wachstum.
Sind therapeutische Ansätze vielleicht nur Beruhigungspillen?
Wir halten an starren Prozeduren fest. Wir wiederholen therapeutische Standardsätze, als wären sie Mantras – auch wenn sie längst keine Wirkung mehr zeigen. Und manchmal scheinen wir dabei völlig zu vergessen, worum es eigentlich gehen sollte: um echte Transformation, um lebendige Entwicklung, um Freiheit.
Psychopharmaka zu verabreichen, um Menschen zu sedieren, ist sicher keine Lösung – da sind sich die meisten noch einig. Aber was ist, wenn auch viele der klassischen therapeutischen Ansätze nichts weiter sind als gedankliche Beruhigungspillen? Was, wenn sie die Illusion von Veränderung erzeugen, während sie in Wahrheit alles beim Alten lassen? Was, wenn viele dieser Konzepte nicht heilen, sondern nur betäuben – auf intellektuelle Weise?
Im Modell des NLP geht es um die Veränderung von Verhalten. Und das gilt nicht nur für den Klienten – sondern auch für den Trainer. Gerade der Trainer darf, ja muss ich mich immer wieder verändern. Meine Haltung. Meine Sprache. Mein Denken. Meine Bereitschaft, alte Strukturen über Bord zu werfen. Ein guter Trainer ist kein Verwalter von Techniken. Er ist ein lebendiger Mensch in einem Prozess. Und manchmal bedeutet das eben auch: zu erkennen, dass das, was man vor fünf Jahren noch als „professionell“ empfand, heute nichts weiter ist als eine Schutzstrategie, die Heilung verhindert.
Was man als Trainer alles „lernen“ kann, wenn man es denn will. Wie man sich zu verhalten hat. Wie man spricht, wie man steht, wie man sich emotional zu positionieren hat. Immer schön mit einer Prise Überlegenheit. Nicht zu viel Nähe. Klar abgegrenzte Rollen. Keine echten Gefühle zeigen. Professionell sein. Souverän bleiben. Sich nicht „angreifbar“ machen. Das ist alles nur eine Show!
Von mir gibt es nur eine Version
Ich habe das nie so gemacht. Und genau deshalb war ich erfolgreich. Nicht trotzdem, sondern deshalb. Ich war und bin als Trainer derselbe Mensch wie im Privaten. Nahbar. Echt. Verletzlich. Klar. Und vollkommen präsent mit dem, was gerade ist – auch mit mir. Vielleicht war genau das mein größtes Kapital: dass Menschen gespürt haben, dass ich da bin. Nicht drüber, nicht drunter, nicht distanziert – sondern voll im Kontakt. Auf Augenhöhe. Mit offenem Herzen.
Neulich hat mir eine Frau auf Social Media geschrieben, ich sei unerträglich arrogant. Sie kennt nur meinen Podcast. Nicht mich. Nicht meine Arbeit. Nicht mein Herz. Und trotzdem hat sie diesen Satz geschrieben – hart, ohne Kontext, ohne Erklärung. Und ja, das hat mich verletzt. Nicht, weil ich damit nicht umgehen kann, sondern weil ich ein Mensch bin. Und ich frage mich: Warum schreibt sie mir das? Warum ohne ein Beispiel, ohne ein Gesprächsangebot?
Natürlich schaue ich dann hin. Ich frage mich, ob da etwas dran ist. Ich frage Freunde. Menschen, die mich wirklich kennen. Ich überprüfe mich. Nicht aus Unsicherheit, sondern aus innerer Haltung. Weil ich glaube, dass Kritik uns etwas zeigen kann. Und weil ich überzeugt bin: Wenn ich solche Sätze gar nicht mehr an mich heranlasse, wenn ich mich abschirme, dann stimmt etwas nicht mit mir. Professionelle Distanz? Nein danke. Ich will fühlen, was ankommt. Ich will berührbar bleiben. Auch, wenn es mal schmerzt. Und das ist es auch, was mich jetzt weiterziehen lässt. Ich höre im Mai mit dem Training auf – nicht, weil ich weniger zu geben hätte, sondern weil ein neues Kapitel beginnt. Eine tiefere Aufgabe. Noch mehr Leben, noch mehr Liebe, noch mehr Wahrheit.
Nähe ist kein Risiko
Denn wenn ich eins gelernt habe: Was in der Arbeit mit Menschen nicht funktioniert, funktioniert auch in der Liebe nicht. Und umgekehrt. Nähe ist kein Risiko. Nähe ist die Voraussetzung für echte Veränderung. In all den Jahren als Trainer habe ich erlebt, wie kraftvoll es ist, wirklich da zu sein. Nicht als Funktion, nicht als Rolle – sondern als Mensch. Wenn ich bereit bin, mich im Raum zu zeigen, mit allem, was ich bin – auch mit dem, was ich (noch) nicht gelöst habe –, entsteht etwas, das kein Technik-Manual der Welt erzeugen kann: Vertrauen. Tiefe. Transformation.
Das gilt auch für Beziehungen. Vielleicht sogar noch mehr. Wenn ich bereit bin, mich in einer Liebesbeziehung zu verlieren – nicht aus Schwäche, sondern aus freiem Willen –, dann geschieht etwas, das mich nicht kleiner, sondern größer macht. Ich lasse Kontrolle los. Ich höre auf, ein Konzept von mir selbst zu verteidigen. Ich lasse mich ein. Ganz. Und genau da beginnt wahre Nähe. Wenn ich mich als Trainer in meiner Aufgabe verlieren darf – warum dann nicht auch in einer Liebe, die größer ist als mein Konzept von „gesunder Distanz“? Wenn ich das Vertrauen bekomme, weil ich mich voll einlasse – warum sollte ich es mir dann in Beziehungen verweigern?
Was ist das überhaupt für eine Vorstellung, dass wir uns nicht verlieren dürfen? Dass wir immer bei uns bleiben müssen? Dass Nähe gefährlich ist, Abhängigkeit schwach macht, Verschmelzung ungesund ist? Wer hat uns das erzählt? Und warum glauben wir es immer noch? Das alte Paradigma klingt stark, vernünftig, abgeklärt. Es sagt:
„Verliere dich nicht.“
„Sei unabhängig.“
„Geh nicht zu tief rein.“
„Denk an dich.“
„Lass dich nicht verbiegen.“
„Bleib bei dir.“
Angst oder Liebe ? – da ist es wieder!
Aber was ist, wenn diese Sätze nicht stark sind – sondern ängstlich? Was ist, wenn sie uns nicht schützen – sondern voneinander fernhalten? Was ist, wenn sie aus einer Zeit stammen, in der wir Nähe mit Gefahr verwechselten? Ich glaube, es ist Zeit, das zu hinterfragen. Radikal. Nicht nur in meinen Trainings, sondern auch in Deinen Beziehungen, in Deinem Job, in jedem Bereich Deines Lebens. Wo bleibst Du auf Distanz, weil Du Angst hast Dich zu zeigen? Wo in deinem Leben hältst du dich noch zurück, obwohl du eigentlich längst springen willst? Wo erzählst du dir die alte Geschichte von Unabhängigkeit, obwohl du tief drinnen weißt, dass du verbunden sein willst – wirklich, ganz, mit allem?
Was wäre, wenn du dir erlaubst, dich zu verlieren?
Nicht um dich selbst aufzugeben – sondern um dich jenseits deiner alten Grenzen neu zu entdecken? In deiner Beziehung. In deiner Arbeit. In deiner Berufung. Im Leben selbst.
Was, wenn Stärke nicht das Gegenteil von Nähe ist – sondern ihre Konsequenz? Was, wenn Vertrauen dort wächst, wo jemand den Mut hat, alles zu zeigen? Was, wenn Liebe erst dann beginnt, wenn wir aufhören, uns selbst zu schützen?
Bist du bereit? Dann geh los. Verlier dich. Und finde dich ganz neu.