Um es gleich vorwegzunehmen: Den Titel des heutigen Hauptartikels kann man falsch verstehen, nämlich so, als wäre ich gegen die positive Veränderung. Das stimmt natürlich nicht, hey, ich bin Trainer für persönliche Veränderung, da hat sich nichts dran geändert, okay? Und gleichzeitig ist der Titel natürlich absichtlich gewählt, denn er spiegelt gut das Thema wider: Semantik, die Lehre von der Bedeutung der Wörter oder Sätze. Jetzt darfst Du schon bei er Headline des Artikels näher hinsehen, denn es geht nicht um den Mythos des Themas positive Veränderung, sondern um den Mythos, dass Veränderung auch positiv sein kann.

Und schon sind wir mitten im Thema: Das Wort „Veränderung“ ist im Deutschen ziemlich negativ besetzt. Da kannst Du jetzt mal drüber nachdenken und mir geht es weniger darum, dass Du jetzt Gegenbeispiele findest, die gibt es ganz bestimmt. Ich meine den großen Rahmen, verallgemeinert – generalisiert wie wir im NLP sagen würden.

Wenn Du mit einem ganz normalen Durchschnitts-Deutschen (ich würde das „Mischgebiet“ nennen) sprechen würdest und den Satz sagst: „Mir stehen große Veränderungen in meinem Leben bevor.“, dann würde das in meiner Welt eine negative Konnotation haben. Mindestens bedrohlich fühlt es sich für den einen oder anderen an, auf jeden Fall würde ich das lieber vermeiden. Das ist es, was ich meine. Ich mache Dir noch ein paar Beispiele, die so im Alltag auftreten könnte, fühl doch mal rein, ob diese Sätze sich für Dich negativ anfühlen, einen negativen Beigeschmack haben, wenn sie als alltäglich gesprochene Sätze auftauchen:

Ich muss da was verändern.
Meine Damen und Herren, die Veränderung ist unvermeidbar.
Ich kann mich nicht gegen die Veränderung wehren.
Veränderung tut Not.
Wir brauchen dringend eine Veränderung.
Wir verändern das jetzt mal probeweise, dann können wir ja mal schauen, ob es sich bewährt.
Ich möchte mich gerne verändern, um sportlicher/schlanker/beweglicher/erfolgreicher zu werden.
Wir dürfen bereit sein für die Veränderung unseres Lebens.

Nun gut, dann kommen wir zu dem Satz „In jeder Veränderung liegt auch eine große Chance.“. Da stelle ich für mich fest, dass ich bei dem Wort „Chance“ eine 50:50 Möglichkeit sehe, also immer noch die Hälfte der Chance, dass es schiefgehen kann. Worauf will ich hinaus? Du erinnerst Dich, das zentrale Thema ist, dass wir hier über die Bedeutung von Wörtern sprechen, vor allem von dem Wort „Veränderung“. Und hier kommt meine These: „Veränderung“ ist im Deutschen tatsächlich negativ besetzt und wird überwiegend negativ bewertet.

Es geht noch weiter

Wenn Du diesen Newsletter schon kennst oder meinen Podcast, dann weißt Du, dass ich gerne immer noch weiterdenke und damit auch zu weiteren Ergebnissen komme. Und die müssen nicht stimmen! Es sind die Thesen aus „Marcs kleiner Welt“, die Du hier kennenlernst. Jetzt kommt der Satz:
Es heißt „Veränderung“, wenn es negativ ist, wenn es positiv ist oder geklappt hat, sprechen wir von „Glück“.

Das hieße doch auch:

Falls eine Veränderung gute Ergebnisse bringt, nennen wir das Glück.

oder noch mehr auf den Punkt:

Positive Veränderungen heißen für einen Deutschen Glück.

Da liegt der Hase im Pfeffer des heutigen Newsletters. Von positiver Veränderung zu sprechen, bedeutet also zumindest im Deutschen damit so etwas wie eine positive Katastrophe oder ein wunderschönes Unglück, die Adjektive streiten sich hier sozusagen mit dem Substantiv, sie kämpfen gegeneinander, machen ein Spannungsfeld auf. Gerade bei der Veränderung ist das natürlich fatal, denn es ist praktisch ausgeschlossen, dass eine positive Veränderung nichts mit Glück zu tun haben soll. Doch stimmt das denn wirklich?

Die Realität ist anders

Ich kann sagen, dass meine Lebensrealität wirklich anders ist. Als Trainer für persönliche Veränderung habe ich in den vergangenen 30 Jahren immer wieder bewusst Veränderungen in meinem Leben herbeigeführt. Manchmal weil sie nötig waren, viel häufiger, weil ich etwas noch Besseres, ein schöneres Leben haben wollte. Kleine und große Veränderungen haben mich vor allem eines lernen lassen: Es ist nicht nur gut gegangen, mein Leben ist – manchmal mit ein bisschen Wartezeit – immer noch dramatisch viel besser geworden, als es vorher war. Okay, dass da manchmal ein bisschen Zeit dazwischen lag, bis es wieder noch besser als vorher wurde, das stimmt.

Ein kleines Beispiel: Ich habe irgendwann drei alte, preiswerte Stereoanlagen in meinem Leben gehabt. Ich wollte lieber stattdessen eine richtig gute, eine von T+A, einem deutschen Tophersteller. Also habe ich alle drei Anlagen verschenkt und damit bewusst mein Leben verändert. Danach habe ich ein paar Jahre keine Musik hören können zuhause, weil es eben keine Stereoanlage gab. Dann gab es endlich von meiner Traumanlage eine Final Edition und die habe ich mir gekauft. Perfekter Sound, optimales Aussehen, sie gefiel mir rundherum.

Ich bin zigmal umgezogen, allein 10-mal in den vergangenen 20 Jahren, und immer ist es besser geworden in der jeweiligen Lebenssituation. Mein Leben ist auch nach meinen Scheidungen immer nur noch besser geworden, auch ein gutes Beispiel. Es mag natürlich sein, dass solche Veränderungen Mut benötigen. Doch worüber die meisten Menschen vielleicht auch mangels Beispiele viel zu wenig sprechen ist, wie oft eine solche, mutig herbeigeführte Veränderung absolut positive Ergebnisse zeigt.

Wie andere die Veränderung begleiten

Ein anderes Beispiel, vermutlich viel zutreffender, normaler, alltäglich anzutreffen: Ein junger Mann entscheidet sich – unterstützt von seinen Eltern – in ein ausländisches Internat zu gehen. Dort wird er perfekt Englisch lernen, richtig gut unterstützt werden und er lässt seine Familie hinter sich. Was sagen die Erwachsenen zu ihm, die sich übrigens für ihn freuen – oder sollte ich besser sagen angeblich freuen? Einige verabschieden ihn mit Sätzen wie: „Vermisst Du uns schon?“. Eine interessante und nicht mal unbedingt logisch folgende Vorannahme, wie ich als NLPler sagen würde. Er wird uns auf jeden Fall vermissen, das Einzige, was die Frage in Frage stellt, ob er es schon fühlt.

Ein schönes Beispiel für eine selbst initiierte Veränderung, die dann leider von einigen anderen als gefährlich und negativ bewertet wird und es werden auch noch miese Suggestionen mit auf den Weg gegeben. Ein anderer Aspekt dieses Themas ist, dass die Veränderung, auch die selbst initiierte, begründet werden muss. Stell Dir vor Du ziehst um, weil Du möchtest. Die alte Wohnung oder Dein Haus sind nett und schön und alles ist gut. Und Du ziehst um. Musst Du das vor den anderen begründen? Kannst Du ja mal ausprobieren und als Grund gibst Du bei entsprechenden Fragen an: „Einfach so, hab ich mir überlegt und mach ich jetzt.“ Das ist bei vielen nicht anerkannt. Da ließe sich nun einwenden, dass solche Veränderung eben Geld kostet und weniger Sicherheit bedeuten könnte. Ja, das stimmt beides. Doch was machen denn die anderen, die sich nicht verändern, mit diesem Geld? In meiner Welt lassen es viele einfach nur rumliegen, auf der Bank, in Aktien oder in Häusern oder Wohnungen, in denen sie nicht einmal selbst wohnen.

Muss Veränderung sich rentieren?

Veränderung muss sich rentieren, muss Missstände beenden oder einem neuen Ziel dienen. Veränderungen, die einfach nur dazu geeignet sind, neue Lebenserfahrungen zu sammeln, die sind gesellschaftlich nicht akzeptiert, das macht man doch nicht. Wenn ich das andersherum drehe, wird es zumindest ein bisschen klarer: Wenn wir – eventuell mit ein bisschen nachdenken über das Leben an sich und den Sinn des Lebens – verstehen, dass wir nur aus einem Grund leben, nämlich um Erfahrungen zu sammeln, dann müsste doch jede Veränderung willkommen geheißen werden. Noch ausführlicher: Wir werden nicht fertig mit leben, mit dem Sammeln von Erfahrungen, das geht das ganze Leben (und in meiner Welt den Rest der Ewigkeit) immer so weiter.

Klar, das alte Lebensmodell heißt fertig werden, Partner finden, Kinder kriegen, Haus bauen, Erfolg haben, ausruhen (= Rente), auf den Tod warten. Fertig. Was wäre, wenn meine Generation und hoffentlich die nachfolgenden ein anderes Modell präferieren: Leben heißt, möglichst viele verschiedene Dinge auszuprobieren, das sind Hobbies, Reisen, natürlich auch Wohnorte, Wohnsituationen und so vieles mehr. Dann wäre Veränderung die logische Begleiterscheinung dieses Lebensstils und die vielen verschiedenen Erfahrungen würden einfach nur als Leben gesammelt werden. In solche einem Leben gäbe es keine Fehler, sondern nur unglaublich viel verschiedenes Feedback auf das, was ein Mensch ausprobiert. Das wäre dann die Veränderung, die ich für so erstrebenswert halte und für die ich als Trainer für Veränderung auch stehe.

Schuld vermeiden

Nur am Rande und der Vollständigkeit halber sei hier erwähnt, dass der eine oder andere eben auch fürchtet Schuld zu sein, wenn etwas mit der so positiv geplanten Veränderung schiefgeht. Die Vermeidung von Schuld ist ja ein Thema, das ich hier, in meinen Büchern und auch im Podcast immer mal wieder aufgreife, es ist ein wichtiger Motivator im Alltag. Im Falle einer selbst initiierten Veränderung könnte ich niemand anderem die Schuld geben. Kommt die Veränderung von außen, der Partner trennt sich, ich werde gekündigt, dann leide ich unter der Veränderung und muss für nichts, was danach passiert, die Verantwortung übernehmen.

Zu diesem Aspekt passt sicherlich auch die Meinung, Veränderung sei möglicherweise gefährlich. Den Job zu kündigen, weil es vielleicht einen besseren gibt, das ist verpönt. Wie heißt es so schön: „Lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach.“ und auch „Schuster bleib bei Deinen Leisten.“. Das sind weniger Lebensweisheiten in meiner Welt, als vielmehr kollektiv gestützte Suggestionen. Was dabei auf der Strecke bleibt, ist ein Leben, das Dich begeistert, herausfordert, an die Grenzen bringt, Dich wachsen lässt.

Die Chance betonen

Für mich ist das das ultimative Reframing-Hilfsmittel, wenn eine Veränderung nicht gleich so gute, positive, liebenswerte Ergebnisse zeigt, wie ich es mir erhofft habe. Ich folge dem inneren Gefühl und das hat mich mittel- und langfristig noch nie getäuscht. Mag sein, dass ich in den ersten Wochen, Monaten oder sogar Jahren nach einer selbst herbeigeführten Veränderung meines Lebens nicht gleich wieder in der neuen Welt ankomme, nicht in einem fertigen neuen Leben erwache. Doch ich bleibe ein Befürworter der stetigen Veränderung, weil es eben bedeutet zu leben. Ob jemand sich ein neues Kindermädchen sucht, den Partner oder die Partnerin verlässt, weil die Beziehung einfach komplett den Drive verloren hat oder jemand umzieht aus welchen Gründen auch immer: Wir können den Fokus auf die Nachteile legen und jeder darf das, es gehört an manchen Tagen oder in manchen Phasen des Lebens dazu. Doch dann darfst Du Dich wieder aufrappeln, darfst den Dreck abschütteln und darfst Dich auf die Chance besinnen und konzentrieren, die in dieser Veränderung auch in jedem Fall enthalten ist.

Ein anderes Wort könnte helfen

Natürlich wäre es toll, wenn wir einfach ein anderes Wort für positive Veränderung finden würden, das eben genau nicht die Zusatzbedeutung von Zufall, Unplanbarkeit und einer Prise Chaos enthält wie das Wort „Glück“. Ganz konkret würde ich sagen:

Positive Wirkungen einer Veränderung haben nichts mit Glück zu tun!

Als neue Wörter würde ich hier schonmal „Verposerung“ oder „Veropterung“ vorschlagen. Vielleicht fällt Dir noch etwas besseres ein?! Jedenfalls finde ich es Nachdenkens wert, dass Du in Deinem Leben der Veränderung die negative Konnotation nimmst. Ich kann Dir übrigens nicht einmal versprechen, dass das Phänomen auf Deutschland beschränkt ist, es mag auch in anderen Sprachen so verstanden werden, wie ich es für das Deutsche sehe. Und auch das muss ja nicht stimmen für Dich.

Es wäre allerdings im Weg, wenn Du auch eine negative Bedeutung wahrnehmen würdest, weil dann Dein Gehirn jede Veränderung ablehnen, ignorieren oder eben boykottieren würde, was ja in unserer Gesellschaft zumindest aus meiner Sicht ein typischer Umgang mit der Veränderung ist.

Auch der Veränderungsprozess darf angeschaut werden

Auch der Prozess der Veränderung selbst ist oft nicht so positiv besetzt, wie ich mir das wünschen würde. Oft wird damit eine Zeit der Unsicherheit und vor allem auch der vermehrten Anstrengung gleichgesetzt, es ist hart, schwierig, herausfordernd oder zumindest fordernd, sich zu verändern. Da gäbe es dann auch ein anderes Gegensatzpaar, die „leichte Veränderung“. Du weißt vielleicht, dass dies meine Idee für meine Seminare ist, Veränderung darf leicht sein und nachhaltig wirken und in meinem Fall ist das auch so, dass ich das hinbekomme. Nur aus Sicht der Gesellschaft passen die Wörter „leicht“ und „Veränderung“ eben auch nicht so gut zusammen.

Fast scheint es mir, als würden wir auch nur die schwere oder schwierige Veränderung für möglich halten und diese Selbstsuggestionen sind mal wieder nicht förderlich für den Einzelnen, der dann viel mehr zu kämpfen hat als nötig. Wenn ich eine Werbeagentur hätte und für einen Kunden eine Imagekampagne aufsetzen würde, dann wäre dieser Kunde definitiv das Wort „Veränderung“. Vielleicht sollte ich ein ganzes Buch zu diesem Thema schreiben, denn es tauchen so viele Facetten auf, die in diesem Zusammenhang auch noch beachtet werden sollten.

Die Bedeutung schafft den emotionalen Rahmen

Jedenfalls bleibt für Dich hoffentlich die Erkenntnis, dass Du mal kritisch überprüfen darfst, wie positiv Veränderung für Dich ist, wieviel glückliche Umstände damit einhergehen müssen in Deinem Modell der Welt, damit sie gut geht. Und Du kannst Dich an diesen Artikel erinnern, wenn Du mal wieder jemanden in der „normalen“ Welt davon überzeugen oder dafür gewinnen möchtest, sich zu verändern. Nur das Wort allein mag schon ausreichen, dass der andere sich wehrt und Dir nicht folgen will. Ich wünsche Dir spannende Beobachtungen damit!