Auf dieses Thema bin ich in der vergangenen Woche im Kommunikationstrainer aufmerksam geworden. Wir stellten uns während des Seminars die Frage, warum es vielen Menschen so schwer fällt und so unangenehm ist, sich mit dem Thema „Geld“ auseinanderzusetzen und zu beschäftigen. Also machte ich mich mit den fortgeschrittenen Teilnehmern auf die Suche, welche Gefühle im Umfeld dieses Themas auftreten. Und zum Erstaunen aller Beteiligten entdeckten wir etwas sehr Spannendes: Viele von uns fühlen sich erpresst, wenn Geld zur Sprache kommt, etwa wenn jemand uns Geld anbietet, damit wir etwas erledigen, oder wenn wir in einem anderen Zusammenhang Geld bekommen sollen. Ich finde es ausgesprochen spannend, dieses Thema einmal näher zu beleuchten.

Wenn Du selber herausfinden willst, ob das auch für Dich ein Thema ist, dann ist es am leichtesten darüber nachzudenken und vor allen Dingen nachzufühlen, was in Dir los ist, wenn von Geld die Rede ist. Du kannst ja zum Beispiel an Dein Einkommen denken, wenn Du mit Deiner Arbeit ein Einkommen erzielst. Oder Du denkst etwa an einen größeren Geldbetrag, den Du von jemand anderem in welchem Zusammenhang auch immer bekommen hast. Wie gesagt, viele Menschen bemerken bei diesem Thema negative Gefühle. Nun wird es ganz wichtig, dass Du genau, sozusagen in Zeitlupe, Deine Gefühle zum Thema beobachtest. Es genügt nicht, einfach nur drüber zu huschen und festzustellen, dass dies negative Gefühle sind. Benenne das Gefühl so genau wie möglich.

Denke zurück an die Kindheit
In meinem Modell von Welt ist es relativ simpel: Vermutlich hast Du Dich schon als Kind von Geld nicht nur magisch angezogen gefühlt und wolltest möglichst viel davon haben, höchstwahrscheinlich hast Du auch damals schon gelernt, dass man in aller Regel für Geld etwas tun muss. Vielleicht eine gute Note in der Schule schreiben, vielleicht Deinen Eltern bestimmte Arbeiten abnehmen oder für einen Nachbarn oder einen anderen Menschen eine andere Arbeit erledigen, für die man dann eben Geld bekommt. Und es mag eben auch sein, dass Du damals Zeitungen ausgetragen oder andere Hilfsarbeiten erledigt hast, um an das beliebte Geld zu gelangen. In all diesen Fällen war also eine negative Tätigkeit damit verbunden, das Geld zu erhalten. Und damit ist Geld eine der wichtigsten, wenn nicht sogar die wichtigste Möglichkeit, Dich zu erpressen.

Das ist genau das Thema, dem ich mich hier widmen möchte. Ich möchte mit der These starten, dass wir Menschen uns im Alltag regelmäßig von anderen Menschen und eben auch von Tauschmitteln wie Geld oder Zeit erpresst fühlen. Das beginnt natürlich an den ganz offensichtlichen Stellen: Wenn Du als Kind brav bist, bekommst Du Geld. Wenn Du in der Schule gut bist, bekommst Du Geld. Wenn Du als Mitarbeiter das erledigst, was Deine Chefin oder ein Chef von Dir möchte, bekommst Du Geld. Wenn Du das tust, was Deine Kunden von Dir wollen, bekommst Du Geld. Dieses Muster ist noch ausgesprochen einfach zu verstehen. Wenn Du Geld möchtest, dann musst Du Dich erpressen lassen, so oder ähnlich dürfte die Botschaft lauten, die in Deinem Gehirn angekommen ist.

Jeder ist bestechlich
Von meinem Freund Marc Schmidt stammt ein Zitat, das mich seit vielen Jahren beschäftigt. Marc sagte immer: „Jeder ist bestechlich, es ist nur eine Frage der Summe.“ Am Anfang habe ich dagegen protestiert, aber je mehr ich über diesen Satz nachdenke und je mehr ich auch andere Menschen beobachte und befrage, desto mehr muss ich zugeben, dass Marc Recht hat. Ich glaube wirklich, dass es bei den allerallermeisten Menschen nur eine Frage der Summe ist, für die sie bereit wären, praktisch alles zu tun, was von ihnen verlangt würde.

Im Umkehrschluss lässt sich allerdings daraus sehr einfach ableiten, dass wir zumindest unterbewusst sehr leicht auf die Bestechungsmittel, in diesem Fall das Geld, wütend werden. Wir fühlen uns manipuliert, in die Ecke gedrängt, weil wir wissen, dass man uns mit Geld eben dazu bringen kann, Dinge zu tun, die wir gar nicht tun möchten. Wenn Du jetzt weiter genau hinschaust, dann ist es vermutlich mit Freundlichkeit nicht viel anders.

Ich kann zumindest für mich sagen, dass ich praktisch alles für Menschen tue, die mich gut behandeln. Frei nach dem Motto: Wenn jemand nett zu mir ist, kann er alles von mir haben. Ich bin auch an dieser Stelle bestechlich und damit wäre die Frage, ob ich unterbewusst nicht auch wütend bin, wenn jemand versucht mich mit Freundlichkeit und guten Gefühlen zu erpressen. Nimm dieses Thema doch einfach mal in die kommenden Tage mit und fühle genau hinein, ob Du Dich auch von anderen Menschen erpresst fühlst. Ich bin noch lange nicht fertig mit dem Thema, aber ich habe eben die These, dass es wichtig ist, da einmal genauer hinzuschauen.

Wer Macht hat, kann andere erpressen
Wenn das alles stimmt, was ich bis hierhin über die typischen Erpressungs-Methoden herausgefunden habe, dann gilt das natürlich auch andersherum. Ich glaube, dass in unserer Gesellschaften Macht zu haben, bedeutet, dass man Menschen erpressen kann. Wer die Macht hat, kann andere zwingen, genau das zu tun, was er oder sie möchte. Deswegen streben die allermeisten Menschen danach, möglichst viele Menschen erpressen zu können und die Menschen, mit denen sie enger zusammen sind, also Mitarbeiter, die Partnerin oder den Partner und eben sicherlich auch die eigenen Kinder und Eltern, zwingen zu können, das zu tun, was sie möchten.

Leider ist es an dieser Stelle irrelevant, ob Du jemanden mit guten Gefühlen oder mit einem Zwangsmittel (wie Geld, psychischem Druck oder physischer Gewalt) zu dem gewünschten Ergebnis bringst. Darin sehe ich die große Herausforderung etwa in der Kindererziehung. Nimm doch einfach das Beispiel Schule: Der Lehrer erpresst die Kinder in aller Regel damit, dass sie eine schlechte Note bekommen, wenn sie nicht aufpassen und ihre Hausaufgaben nicht machen und nicht ausreichend lernen. Es könnte also sein, dass die wichtigste Botschaft, die wir Menschen in unserem Leben lernen, die ist, dass wir von anderen Menschen erpresst werden.

Die Erpressung ist überall
Natürlich ist diese Botschaft nicht die erfreulichste Botschaft, die ich jemals verkündet habe. Und das muss ja nicht bedeuten, dass Du das Thema gleich ablehnst. Vielleicht bist Du bereit, Dich doch zumindest einmal gedanklich intensiver mit diesem Thema zu beschäftigen?! Nehmen wir an, dass Du zu dem Ergebnis kommst, dass die These zumindest überwiegend stimmig ist, und dass die Menschen sich gegenseitig so gut es geht erpressen, mit guten oder schlechten Gefühlen. Unternehmen erpressen uns mit Sonderangeboten und Mitgliedschaften, Sonderkonditionen und Punktsammelsystemen, Politiker erpressen uns mit drastischen Maßnahmen und Gesetzen, Eltern erpressen uns mit Enterbung oder auf irgendeine andere Weise.

Schau bitte auch in den Partnerschaften nach, denn ich gehe davon aus, dass wir vor allem auch in diesem Bereich immer wieder versuchen, andere Menschen unter unsere Kontrolle zu bringen. Wie sehr jemand bereit ist, Dich mit Erpressung zu irgendeinem Verhalten zu zwingen, kannst Du vor allen Dingen dann herausfinden, wenn Du dieses Verhalten nicht zeigst. In der Partnerschaft wäre das sicherlich die Trennung, bei den Kindern ist es der Zeitpunkt, wenn sie von zu Hause ausziehen, fianziell unabhängig werden und nicht mehr ständig zu ihren Eltern kommen müssen. Im beruflichen Bereich sind es andere Stellen, an denen Du merken kannst, dass andere Menschen versuchen Dich zu erpressen.

Damit würde sich also die Frage stellen, wie Du aus diesem Teufelskreis der gegenseitigen Erpressung entkommen kannst. Natürlich kannst Du die Gesellschaft komplett verlassen, nach Indien auswandern und Dich für viele Jahre in Unterhose unter eine Palme setzen und meditieren. Vermutlich bist Du dann weniger erpressbar, als wenn Du in Deutschland bleibst. Allerdings finde ich noch wichtiger, dass Du einen Weg findest, selbst andere Menschen nicht mehr zu erpressen. Meine These ist, dass Du umso freier wirst und auch andere Menschen immer mehr so lassen kannst, wie sie sind und sein wollen, je wohler Du Dich in Deinem Leben fühlst. Dabei darfst Du natürlich ehrlich zu Dir selber sein und genau beobachten, ob dieses Wohlgefühl nur daher stammt, dass Du viele Menschen unter Deiner Kontrolle hast. Je weniger Menschen Du kontrollierst, auf je weniger Menschen Du Einfluss hast, umso leichter ist es, dass erpressende Verhalten zu unterlassen.

Erpresst Du Dich auch?
Wie so oft in meinen Newsletter und im Podcast ist es also entscheidend, dass Du Dich selbst sehr aufmerksam beobachtest, um dieses Verhaltensmuster zu entdecken und Dich dann Schritt für Schritt sehr gezielt in die Richtung zu bewegen, andere Menschen in Ruhe zu lassen. Und dann bliebe am Ende vermutlich noch als wichtigster Schritt übrig, dass Du aufhörst Dich selber zu erpressen. Schau auch da noch einmal ganz genau hin. Wenn Du Dich zum Beispiel mit Geschenken, einem besonderen Essen, einem Einkauf in einem bestimmten Geschäft oder einem Urlaub belohnst, dann liegt die Möglichkeit nahe, das Du Dich auch da erpresst.

Erpressung macht wütend
Und so kam ich gemeinsam mit meinen Teilnehmern darauf, warum wir an der einen oder anderen Stelle so wütend auf andere Menschen sind und vielleicht sogar am Ende auf uns selbst. Nämlich weil wir uns erpressen, unter Druck setzen und zwingen, Dinge zu tun, die wir gar nicht tun möchten. Da das die allermeisten Menschen in unserer Gesellschaft machen, fällt es uns gar nicht mehr auf, deshalb stolpern wir nicht darüber. Insofern ist die Wut, die Du vielleicht so wie viele andere Menschen auch an der einen oder anderen Stelle empfindest, ein guter Wegweiser dafür, herauszufinden, worum es genau geht. Und wann immer Du entdeckst, dass Du von einem anderen Menschen erpresst wirst, darfst Du einen anderen Weg gehen.

Wenn es Menschen sind, mit denen Du Dich gut verstehst, und die offen genug sind, um ehrlich mit Dir zu sein, dann kannst Du vermutlich das Thema offen ansprechen. Bei vielen anderen Menschen, etwa am Arbeitsplatz, mit Deinem Vermieter, dem Banker oder einfach nur jemanden, der Dich mit einem Early-Bird-Rabatt oder einer Deadline zwingen will, jetzt gleich zuzuschlagen, von dem kannst Du Dich vermutlich nur abwenden. Menschen, die andere erpressen, werden das zumindest in meinem Modell von Welt zurückbekommen, sie werden dann auch von anderen erpresst. Und nur weil das das Spiel ist, das die allermeisten Menschen auf diesem Planeten gerade zu spielen scheinen, muss das ja nicht bedeuten, dass Du mitmachst.

Hör auf, andere unter Druck zu setzen
Auf der anderen Seite kann das Thema Dich auch sehr nachdenklich machen, weil Du bewusster dafür wirst, an welchen Stellen Du andere Menschen auf die eine oder andere Weise selbst unter Druck setzt. Meine Empfehlung an Dich: Werde wach und achte genau darauf, was Du fühlst, wenn Du mit anderen sprichst. Beende das Erpressen, damit auch Du nicht mehr erpresst wirst. Finde neue Lösungen, einige Dich mit Menschen, die Du bisher einfach nur unter Druck gesetzt hast. Ich wünsche Dir eine intensive Zeit mit diesem Thema, mich wird es auf jeden Fall noch weiter begleiten, weil ich ziemlich sicher bin, etwas sehr Wichtiges entdeckt zu haben.