Die Frage:

Immer wieder erreichen mich Mails mit dieser Frage und das macht deutlich, dass viele Menschen nicht einmal eine Idee davon haben, wie sie mit anderen in Kontakt kommen. Mir ist es zeitlebens leichtgefallen, Kontakt mit anderen Menschen aufzunehmen und Freunde zu finden, auch wenn ich nie viele Freunde habe, meistens nur einen oder zwei enge Freunde und dann noch ein paar Menschen im engeren Umfeld. Das hat sich für mich bewährt, nur unabhängig davon hat sich diese Frage für mich nie gestellt und so war ich einigermaßen erstaunt, dass es für andere so schwierig ist, Freundschaften zu schließen. Also mal eine schöne Idee, die Frage aufzugreifen und ein paar Gedanken zum Thema „Freundschaft“ zu sammeln.

Freundschaft oder Bekanntschaft?

Ich unterscheide dabei deutlich zwischen Freunden und Bekannten, denn viele Menschen erlebe ich dabei, dass sie zwar Bekannte haben, aber de facto keine Freunde. Sie sind allen gegenüber verschlossen und teilen mit niemandem ihre wirklichen Gefühle und Themen, Ehrlichkeit kennen sie nur als Wort und leben sie nicht, niemand kennt sie wirklich – vermutlich kennen sie sich selbst nicht einmal, weil sie eben die Gefühle abgestellt haben. Erstaunt stelle ich fest, dass sie sogar mit der eigenen Partnerin oder dem Partner nicht alle Themen, die ihnen persönlich wichtig sind, besprechen.

Ich führe das hier an, weil ich von Freundschaft reden möchte und von Freunden, nicht von Bekannten, denn das würde ich gerne trennen. Und mein Kriterium für den Unterschied sind die Themen, die wir miteinander besprechen. Bekannte kennen mich nicht wirklich, Freunde sind an mir wirklich interessiert, sie wollen wissen, was mit mir los ist und wie es mir wirklich geht. Sie respektieren meine Meinung und zeigen mir, dass sie für mich da sind, auch zum Beispiel dann, wenn wir mal nicht einer Meinung sind oder sie mein Verhalten seltsam, falsch oder doof finden. Natürlich bin ich umgekehrt an Freunden auch interessiert, ich stelle ihnen Fragen, will wissen, ob es ihnen gut geht und setze mich für sie ein, wenn sie mich brauchen.

Also Kriterium für mich ist vor allem ein Kommunikationsthema (Was sind die Themen, über die wir reden? Wie genau kennen sie mich und wie genau kenne ich sie?). Insofern kann mich durchaus jemand für seinen Freund halten, der wichtige Themen mit mir teilt, den ich nicht als Freund sehen würde, weil er praktisch nichts von mir weiß und nie oder nur ganz selten Fragen stellt und sich für mich interessiert. Halt doch mal kurz inne und prüfe Deine Kriterien für Freunde.

Freunde werden immer wichtiger

Ich bin absolut davon überzeugt, dass es sehr wichtig ist, gute Freunde zu haben, Menschen, auf die Du Dich absolut und in jeder Hinsicht verlassen kannst. Zudem sehe ich die Herausforderung, dass immer mehr Menschen in ihren Partnerschaften oder als Single vereinsamen, weil sie niemanden haben, mit dem sie wirklich offen reden können. Das erstaunt mich immer wieder bei Teilnehmern, dass recht viele mit mir als Trainer offener über ihre Themen reden, als sie es mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin tun. Doch das bedeutet eben doch, dass Du Dich vielleicht auch noch mehr als bisher um Freundschaften kümmern darfst.

Auf der anderen Seite erlebe ich Singles, die keine Übung darin haben, echte, tiefgehende Freundschaften aufzubauen, etwa weil sie in einer Beziehung enttäuscht worden sind. Oder weil sie es nie geübt haben, sich auf einen anderen Menschen einzulassen. Sie wandern nur von Party zu Party, Small-talk ist ihre Hauptbeschäftigung, denn irgendwelche Themen zwischen Fußball, Wetter, Politik und der neusten Mode lassen sich ja immer finden. Oft genug rennen diese Menschen vor tiefgründigen Gesprächen weg, sie haben Angst, verletzbar zu sein, können allerdings oft gar nicht genau beschreiben, was sie da befürchten.

Freunde sind die Basis für ein schönes Altwerden

Vermutlich sind echte, gute Freundschaften eine schöne Perspektive für die Zeit des Älterwerdens. Wie viele von uns haben ihre Eltern bei einer schleichenden Vereinsamung erlebt, wo es zwar oberflächliche Bekanntschaften gab, aber wenige oder gar keine echten Freunde. So musste dann der Partner oder die Partnerin als einziger Lebenszweck und -inhalt herhalten, manchmal kommen da nur noch Kinder und Enkelkinder hinzu, die entsprechend eng gebunden werden. Geld, Einladungen zum Essen oder gemeinsamer Urlaube sind da das Mittel der Wahl. Wie willst Du neue Themen finden, neue Sichtweisen auf die Welt, andere Perspektiven, wenn Du Dich immer nur mit wenigen Menschen umgibst, mit denen Du immer über dasselbe sprichst.

Hier können gute, tiefe Freundschaften mit verschiedenen Menschen eine richtig tolle Alternative sein. Menschen, die sich mit vielen anderen Menschen beschäftigen und dabei eben auch immer neue Weltbilder kennenlernen und flexibel bleiben, sind mental fitter, jünger, dynamischer und beliebter als die, die sich immer nur im selben Kreis bewegen. Schau Dich um und finde heraus, was Du am meisten magst. Denn nur weil viele Menschen in Deinem Umfeld oberflächlich und langweilig sind, musst Du noch lange nicht so werden. Du darfst halt lernen, Freunde zu finden und Freundschaften zu entwickeln.

Freundschaft entsteht und lässt sich nicht erzwingen

Wie entstehen nun also Freundschaften? Für mich ist die Antwort ganz einfach: Dadurch, dass sich Menschen in Gesprächen und gemeinsam verbrachter Zeit, viel Zeit, immer besser kennenlernen. Sie üben sozusagen das Zusammensein und lernen die Weltsicht des anderen kennen, seine Probleme, Themen, Herausforderungen, Hoffnungen, Träume und Ziele. Das ist ein Prozess, der Zeit benötigt, und die Voraussetzung dafür, dass dieser Prozess in Gang kommt, ist, dass die beiden beteiligten Menschen aufeinander zugehen. Dazu dürfen beide die Bereitschaft zeigen und oft genug habe ich erlebt, dass einer von beiden dafür länger braucht als der andere. Also ist dann auch Geduld gefragt und die Zeitspanne lässt sich in meiner Welt nicht abkürzen.

Einfach nur Zeit miteinander zu verbringen ist allerdings noch kein Garant dafür, dass eine Freundschaft entsteht! Das verstehen manche Menschen falsch, sie meinen, dass Freundschaft nur etwas mit der gemeinsam verbrachten Zeit zu tun hat. Für mich ist es zum Beispiel wichtig, dass ein Freund ähnlich Interessen hat, dass wir eine gemeinsame Weltsicht haben, die nur in Teilen abweicht, die nicht so wichtig sind. Das findet man eben heraus, wenn man Zeit miteinander verbringt. So kann es sein, dass man mit der Zeit herausfindet, dass man gar nicht befreundet sein kann, weil die Interessen zu unterschiedlich sind.

Das bedeutet auf der anderen Seite jedoch nicht, dass man alles gemeinsam machen muss und nur gemeinsame Interessen hat. Jeder darf auch seine eigenen Themen haben und der andere darf zuhören und sich interessieren, muss das allerdings nicht teilen.

Unser Gehirn kann uns täuschen

Ein wichtiger Hinweis sei an dieser Stelle erlaubt: Unser Gehirn kann uns vortäuschen, dass wir jemanden sehr gerne mögen und mit ihm oder ihr befreundet sein wollen, weil wir mit diesem Menschen sehr intime, persönliche Themen geteilt haben. Das ist eine schräge Funktion, die ich aus dem Modell des NLP mit einer Art umgekehrter Glaubenssatz bewerten würde. Nach dem Motto: Mit wem bespreche ich sehr persönliche Themen? Mit Menschen, die mir wichtig sind und denen ich vertraue. Wenn Du das umdrehst, wird Dein Gehirn Dich täuschen, Du kannst es gerne ausprobieren. Suche jemanden aus, den Du nicht gut kennst, nur sehr selten triffst und mit dem Du keinen Kontakt brauchst (also keinen Arbeitskollegen). Jetzt teilst Du eine persönliche Information über Dich mit diesem Menschen. Eine genügt. Es muss etwas persönliches sein, das Du nur mit ganz besonders nahen Menschen besprechen würdest. Wenige Stunden später wird Dein Gehirn Dir eine neue Einschätzung dieses Menschen geben, er zählt dann für Dich zu den guten Freunden.

Das liegt in meiner Welt an dem umgedrehten Glaubenssatz, den ich oben beschrieben habe. Doch Achtung: Du darfst nicht in diese „Falle“ gehen, pass auf, ob Du vielleicht persönliche Themen mit Bekannten oder Fremden besprichst, um Dir selbst das Gefühl zu geben, von ihnen gemocht zu werden und sie zu Freunden zu machen. Die anderen werden das als ein seltsames Verhalten wahrnehmen und Dir vielleicht sogar Feedback dazu geben. Hat Dir schonmal jemand gesagt, dass Du sehr private Themen mit ihm oder ihr teilst und dass er oder sie davon überfordert ist? Das wäre ein Hinweis auf ein solches Thema.

Singles dürfen besonders aufpassen

Für einen Menschen, der Single ist und sich einsam fühlt, ist das eine besondere Falle. So könnte das auch der Hintergrund für „friends with benefits“ oder zu Deutsch „Freundschaft plus“ sein: Sie schlafen miteinander – was man ja wohl nur mit Menschen tun würde, die man mag und die einem nahestehen – und geben sich so selbst der Illusion hin, beliebt zu sein und tolle Freundschaften zu pflegen. So ließe sich das Gefühl der Einsamkeit durch die Trickserei des eigenen Gehirns überwinden. Zurück bliebe dann am Ende einfach nur eine große Leere, wenn es darauf ankommt, die Freunde wirklich zu brauchen.
So darfst Du auch mal prüfen, wer von Deinen neuen Freunden schnell intime Themen mit Dir teilt. Das ist in aller Regel nur ein Trick, mit dem er sich selbst und dann vielleicht auch Dich in eine engere Freundschaft ziehen möchte, obwohl der andere gar nicht viel von Dir weiß. Achte also in beiden Richtungen auf dieses Verhalten.

Falsche Freunde aussortieren

Zum Guten Schluss darfst Du jetzt vielleicht mal eine Bestandsaufnahme machen. Hast Du wirklich verlässliche, gute Freunde, auf die Du Dich verlassen kannst? Oder bist Du in Sachen Freunde finden und Freundschaften schließen noch ganz am Anfang? Wie gehst Du Freundschaften ein und was sind Deine Kriterien für eine gute und enge Freundschaft?

Du darfst die Menschen aussortieren, die Dir nicht guttun. Das ist erlaubt und in meiner Welt auch wichtig. Dazu gehören die, die Dich immer nur ausnutzen, die immer nur nehmen und nie geben, die schlecht über Dich reden oder Dich nicht wirklich an sich heranlassen, oberflächlich bleiben oder eben doch ganz andere Interessen haben als Du. Je bewusster Du Dir Deiner Werte bist und auch Deine Wünsche in Sachen Freundschaft kennst, um so leichter kannst Du üben, passende Freunde zu finden. So können dann echte Freundschaften entstehen, wenn Du Dir Zeit nimmst und der andere sich auch Zeit für Dich nimmt, so dass Ihr Euch langsam näherkommt.

So wird es dann wohl auch nie die Frage geben, ob der andere Dein Freund sein will, denn Freundschaft ergibt sich aus dem gemeinsam erlebten, aus den miteinander geteilten Lebenssituationen, aus dem Gleichklang, den gemeinsamen Interessen, Stunden der Beschäftigung aus all dem, was Ihr miteinander besprecht, erlebt, teilt.