Manchmal bin ich dann doch erstaunt, was Menschen so machen oder nicht machen. Wobei „erstaunt“ fast noch ein bisschen kleines Wort ist für das, worum es geht. Vermutlich trifft „fassungslos“ es noch besser. Hier ist eine Familie, Vater, Mutter und Tochter, die einfach so miteinander leben, wenig liebevolles Verhalten, Umarmungen und Nähe finden nicht statt, wenn einer für ein paar Tage auf Reisen geht, sagt er kurz im Gehen „Tschüss“ und das war es dann auch schon. Ob die Tochter überhaupt mal in den Arm genommen und lieb gehabt worden ist, kann ich nicht sagen. Sie hat sich natürlich – wie wir Menschen das als Kinder so tun – angepasst an ihre Eltern, findet das Verhalten normal.

Je älter sie geworden ist, desto mehr wird sie zur Freundin der Mutter, der Vater geht seinem Job nach, bringt das Geld nach Hause, die Mutter ist sehr begabt, kann ganz viele Dinge besser als das Kind es jemals können wird. Und beide sind so reich, dass sie nie wieder einen Handschlag tun müssten, wenn sie nicht wollten. Für das Kind ist dieses Umfeld logischerweise eine echte Herausforderung, zumal der Vater sich wohl lieber einen Jungen gewünscht hätte. Die Mutter ist mit dem Mädchen glücklich und macht sie im Lauf der Zeit zur besten Freundin.

Die angeblich größte Schwäche des Kindes ist, dass es external ist, sich schwer tut, eine eigene Meinung zu finden und zu äußern. Die beiden internalen Eltern, die immer und zu allem eine absolut festgefügte Meinung haben, überrollen die Tochter einfach. Und sie sind so unbewusst, dass sie es nicht einmal mitbekommen. So entscheiden sie einfach alles, die inzwischen junge Frau – Anfang 20 – traut sich nichts mehr zu.

Am Ende wird sie magersüchtig, löst sich auf. Die Eltern, die natürlich wissen, was jetzt richtig ist, empfehlen Schweinsbraten mit Klößen und andere Nahrungsmittel, die zur Gewichtssteigerung helfen sollen. Die junge Frau isst nur noch Gurken und Wassermelonen, die meist auch noch rückwärts gefrühstückt werden. Und jetzt kommt’s, halt Dich fest, die Eltern sind nicht bereit, auch nur ein kleines bisschen ihr Verhalten anzupassen, um den drohenden Tod der Tochter zu verhindern. Die Ärzte schauen weg, denn damit wollen sie nichts zu tun haben.

In anderen Fällen ist es einfacher

Natürlich gibt es viele verschiedene Szenarien, bei denen wir Menschen zu einer Veränderung unseres Verhaltens gezwungen werden oder auch fundamental sicher geglaubte Einstellungen in Frage stellen dürfen. Einige sind alltäglich – wie etwa die Trennung des Partners, dass die Kinder erwachsen werden und aus dem Haus gehen oder ähnliche Anlässe. Nicht, dass es allen leichtfiele damit umzugehen. Nur finde ich solche Ereignisse alltäglich und damit sollte ein erwachsener Mensch damit umgehen können oder umgehen lernen können. Wer das nicht kann, der darf an sich arbeiten und sich verändern, möglichst ohne dass andere Menschen zu Schaden kommen.

Doch wenn ich mitbekomme, dass mein Kind oder ein anderer Mensch unter meinem Verhalten so sehr leidet, dann müsste sich doch – denke ich mir – etwas in Bewegung setzen in den Betroffenen. Natürlich schädigen in meinem Beispiel die Eltern aus ihrer Sicht das Kind nicht absichtlich, sie wollen übrigens nur ihr Bestes. Und was das ist, das wissen sie natürlich auch wieder selbst am besten, Schweinsbraten mit Klößen, sie soll halt was essen. Das ist schon klasse, was die so alles wissen. Ich erinnere mich, dass meine Eltern das für mich auch immer wussten und tatsächlich sogar geglaubt haben, dass sie recht hätten. Dann haben sie versucht mich zu erpressen und das ist bei mir leider nicht im Angebot, weil ich das nicht mag. Doch andere Kinder gehen an diesem Druck zugrunde.

Woran merke ich, dass jemand unter mir leidet?

Das ist natürlich eine wichtige Frage. Kann man das überhaupt richtig einschätzen? Glücklich zu sein ist für mich ein wichtiges und zugleich einfaches Kriterium. Wenn zum Beispiel in einer Beziehung der andere nicht glücklich wird, während ich einfach so bin, wie ich bin, sollte ich eine Veränderung herbeiführen. Die Betonung liegt auf ICH! Natürlich muss derjenige sich selbst glücklich machen, das weiß ich auch. Einem unglücklichen Menschen kann man nur helfen, wenn er das möchte. Nur muss doch bitte niemand mit einem unglücklichen Menschen zusammenbleiben. Das macht doch keinen Sinn – für beide Beteiligten nicht.

Natürlich wären Krankheiten ein gutes Kriterium, wie ich es auch im Fall der junge, magersüchtigen Frau sehe. Als eine Frau, mit der ich zusammen war, Hautkrebs bekam, war mir klar, dass sie nicht das Leben ihrer Träume lebte – das war ja nun nicht so schwierig zu erkennen, sie beschwerte sich wirklich jeden Tag, wie schlimm ihr Leben sei. Nach außen hielt sie die Fassade aufrecht, doch hinter den Kulissen war sie ein zutiefst verzweifelter, unglücklicher Mensch. Die Krankheit war also – so sehe ich das – ein Weckruf, oder hätte es zumindest sein können. Doch so sehr ich mich bemühte, sie zu einer Veränderung zu überreden, es half natürlich nicht. Das scheint so ähnlich zu sein wie mit dem Glück. Wenn ein anderer Mensch das nicht will oder so große Angst vor der Veränderung hat, dann geht es eben nicht voran – zumindest gemeinsam nicht.

Was heißt „unter mir leiden“?

Im Fall der Tochter ist das einfach, finde ich, weil die Eltern mit ihr den ganzen Tag zusammen sind und ihr Leben gestaltet haben. In einer Partnerschaft finde ich es auch simpel, denn wenn ich und/oder der andere nicht glücklich wird, dann steht wohl eine Trennung an. Ist doch nicht schlimm, bedeutet doch nur, dass man es eben miteinander nicht hinbekommt, glücklich oder gesund zu sein. Ich bin der Meinung – ist ja wieder nur Marcs kleine Welt –, dass auch der andere an der Situation beteiligt ist, auch wenn er nicht krank geworden ist oder nicht so unglücklich, um in den gewählten Beispielen zu bleiben. Meine These ganz konkret: Wenn Du merkst, dass der andere unter dem gemeinsam erschaffenen Leben leidet, dann darfst Du Dich auch verändern, was immer das für Konsequenzen hat.

Zurück zu dem Beispiel mit der Tochter

Fassungslos bin ich, dass wir in einer Zeit leben, wo es den Eltern egal ist, ob die Tochter stirbt. Sie schauen lieber zu und wenden sich notfalls ab und kritisieren weiter an ihr herum, als sich der Liebe zuzuwenden und endlich aufzuwachen. Ja, die Ehe ist durch, die Familie hat versagt, Mutter und Vater haben ihre Menschlichkeit komplett aufgegeben. Sie könnten jetzt aufwachen, müssen vielleicht sogar dringend wach werden für ihren Mist, den sie allein zu verantworten haben, dürfen hinschauen, wach werden, an sich arbeiten und wirklich schlimme Wahrheiten über sich hinnehmen und adäquat reagieren lernen.

Du kannst jetzt sagen, dass ich zu weit gehe. Die junge Frau ist alt genug, soll sie halt für sich selbst sorgen, ihre Eltern hinter sich lassen und die toxische Kindheit aufarbeiten, so wie die meisten von uns das auch tun müssen. Da hast Du recht und wenn ich die Gelegenheit bekomme, sie auf diesem Weg zu begleiten, werde ich viel dafür geben. Mein Punkt ist ein anderer: Es schockiert mich, dass selbst in einem so krassen und folgenschweren Fall das Gehirn eines Menschen immer noch lieber bei dem bleibt, was es kennt, anstatt sich nach anderen Lösungen umzusehen. Passt natürlich perfekt zu all dem, was ich lehre, denn gerade unter Stress und mit der Angst im Nacken wird sich der Wille zur Veränderung noch weiter reduzieren.

Kommen wir zu Dir

Also, schau doch jetzt mal hin, wirklich hin: Wo zerbrichst Du gerade oder wo zerbricht ein anderer Mensch an Deiner Härte, Deinem Festhalten an längst überkommenen Meinungen, Ideen und Konzepten, an Geld oder was auch immer? Wo wehrst Du Dich gegen die Veränderung, die doch so offensichtlich nötig ist? Ist es wirklich so wichtig, Recht zu behalten, anstatt einmal nachzudenken und das Neue zu wagen und das Überkommene loszulassen? Ich weiß, das Alte kennst Du, Du bist es gewohnt, fühlst Dich da in Sicherheit und geborgen und beschützt. Doch wie hoch ist der Preis, den Du und vielleicht auch andere Menschen bezahlen, weil Du so sehr an dem festhältst, was längst kaputt und Vergangenheit ist.

Ich gebe einen großen Teil meines Lebens dafür, dass Du Dich endlich traust, Deine Themen anzugehen. Du kannst das schaffen und ja, es wird auch mal unangenehm werden. Ich setze mich dafür ein mit allem was ich kann und gelernt habe, damit Dein Leben glücklich und schön und liebevoll wird. Deshalb bin ich entsetzt über diese Familie, über die Ignoranz der Eltern. Mir bist Du eben nicht egal und Dein Leben zählt, Du bist wichtig für uns alle und es ist entscheidend, dass Du glücklich wirst, auch und gerade dann, wenn Du heute keine Idee hast, wie das gehen soll. Gemeinsam schaffen wir das!